Vorab:
Die reine Angabe eines Zahlenverhältnisses (Grundordnung) sagt häufig nur wenig über den realen Spielverlauf aus. Das Spiel ist zu dynamisch, um einer Mannschaft ein einziges Zahlenverhältnis zuzuschreiben. In bestimmten Situationen kann man Bestätigung für die Annahme finden, z.B. beim Anstoß, in den aller meisten Fällen variieren die Zahlenverhältnisse auf dem Platz aber so stark, dass sie unmöglich mit einer Grundordnung beschrieben werden können. Auch die realtaktische Aufstellung, also ein Mittelwert der echten Position jedes Spielers, bildet am Ende ein nichts-sagendes Bild ab, welches in der qualitativen Bewertung einer Mannschaft keine Relevanz hat. Eine Diskussion über die “richtige” Grundordnung ist beliebt, aber sinnlos. Im Folgenden werden die Prinzipien immer anhand der Grundordnung des 4-4-2 angewandt. Dabei ist diese konkrete Interpretation nur eine von unendlich vielen. Das System muss immer an eine Mannschaft angepasst werden. Es sollte auf der einen Seite die Umsetzung der Prinzipien, die unabhängig von der Mannschaft gelten, ermöglichen und auf der anderen Seite sollte es die Struktur den einzelnen Spielern erlauben, ihre Stärken leichter auszuspielen.
Spiel gegen den Ball:
ALLGEMEINES:
Bei den vier Referenzpunkten, also dem Ball, den Mitspielern, den Gegenspielern und dem Raum muss gerade der Faktor Gegenspieler hervorgehoben werden. Denn im vermehrt ball- und raumorientierten Verteidigen wird dieser Referenzpunkt häufig vernachlässigt. Die Fokussierung auf gleichbleibende Abstände zwischen den Spielern und Linien sind Zeugnis davon. Ein wichtiger Grundsatz ist aber, dass nie ein Raum an sich gefährlich ist. Räume können nur durch Gegenspieler gefährlich werden. Heruntergebrachten heißt das, dass wenn ein Raum durch keinen Gegenspieler bedroht wird, muss dieser auch nicht abgesichert werden. Würde man den Raum einfach des Raumes wegen trotzdem abdecken, wäre das ein möglicher verschenkter Druckspieler für die wirklich gefährlichen Räume. Wenn die Schnittstelle zwischen IV und AV nicht bedroht ist, muss der AV auch nicht zwangsweise am IV kleben. Ein auf Raum und Ball ausgerichtetes Verteidigen führt häufig zu Problemen bei schnellen Spielverlagerungen des Gegners. Der Diagonalball auf den ballfernen Außen führt dann dazu, dass dieser Tempo aufnehmen kann und dadurch ein dynamischer Vorteil im 1v1 entsteht.
Stellen-Stechen-Sichern
Der Ablauf ist beim Verteidigen immer gleich. Zuerst muss der Gegner, um den Ballführenden gestellt werden. Dazu muss die Verteidigung in einer kompakten Ordnung stehen, die ein gegenseitiges Absichern ermöglicht. Dann erst im zweiten Schritt kann aus dieser Ordnung ein Verteidiger herausstechen, um den gegnerischen Ballführer anzugreifen. Rausstechen bedeutet in diesem Falle eine aktive Balleroberung zu forcieren. Das Stellen des Gegners passierte ja bereits in dem vorherigen Schritt. Sobald ein Spieler aus dem kompakten Block raussticht, dann muss er von mindestens zwei Spielern abgesichert werden.
Zentrum zu
Die Verteidiger agieren im Normalfall aus dem Zentrum heraus. Sie bilden also einen kompakten Block, der Pässe ins Zentrum verhindern soll und/oder dort maximalen Druck auf Passempfänger ausüben kann. Das Zentrum zu schließen ist der wichtigste Anhaltspunkt für das Stellen des Gegners.
Springen zwischen Positionen / Gegenspielern
Ein ganz wichtiger Aspekt ist das Springen zwischen Positionen, beziehungsweise Gegenspielern. Die Grundvoraussetzung ist auch dafür ein kompakter Block, der die Positionen absichern und verteidigen kann, die übersprungen werden. Das Springen löst häufig eine Kettenreaktion aus, die ein hohes Spielverständnis erfordert. Aus dem 4-4-2 kann beispielsweise ein LM zwischen gegnerischem RV und RIV schwimmen. Bei einem Rückpass bspw. auf den RIV kann er nach vorne springen, um Druck auszuüben. Die Kettenreaktion könnte sein, dass der LV nun zwischen gegnerischem RV und RS schwimmt, während der IV dann zwischen RS und ST schwimmen muss.
Balldruck
In einem definierten Bereich des Felds muss der Ballführende des Gegners unter Druck gesetzt werden und zwar immer. Um dies auch zu gewährleisten, muss zwangsweise auch gegnerorientiert verteidigt werden. Wenn man sich nach jedem Pass erst wieder orientieren muss, wer jetzt den Ball hat und wer da in der Nähe ist, fällt man automatisch in eine Passivität, die auf den “einen Schritt zu langsam” begründet ist.
GRUNDLAGEN:
1) Abwehrkette, Kettenverhalten, Höhe der Kette, Verschiebebewegung
1.1) Positionierung, Spielstellung
Die Verteidiger müssen immer in der Lage sein, den Raum in ihrem Rücken und unmittelbar vor ihnen zu verteidigen. Dafür müssen sie eine Spielstellung wählen, die es ihnen ermöglicht, möglichst schnell und ohne Drehung in die relevanten Richtungen zu verteidigen.



Der Moment, in dem der Ball plötzlich auf der “anderen Seite” von einem Verteidiger ist, ist ein kritischer Moment, da sich der Verteidiger kurzzeitig drehen muss, um wieder die optimale Spielstellung einnehmen zu können. Dies muss in hohem Tempo passieren. Beim Verteidigen ist ständige Konzentration gefordert, auch wenn eine Situation auf Anhieb nicht gefährlich wirkt.
Zu der optimalen Spielstellung gehört auch ein aktiver Stand, der dem Verteidiger eine schnelle Beschleunigung erlaubt. Also leicht gebeugt, möglichst nicht auf dem ganzen Fuß stehend und die Position immer wieder anpassend.
Überlappendes Decken kann im Zusammenspiel mit dem Deckungsschatten eines Vorderspielers und einer guten Absicherung zu einer höheren Drucksituation für den Passempfänger führen.

1.2) Seitliches Verschieben
1.2.1) Allgemeines
Das seitliche Verschieben orientiert sich sehr stark an der Position des Balls. Um die Grundvoraussetzungen des Stellen-Stechen-Sicherns zu erfüllen, müssen die Verteidiger ballorientiert verschieben.
1.2.2) Größere Distanz zum eigenen Tor
Ist die Distanz zum eigenen Tor größer, variiert das seitliche Verschieben zu den Bewegungen in direkter Tornähe.
Dann nämlich geht es auch darum, Sprünge für die Außenspieler zu ermöglichen. Deshalb ist es erforderlich weiter durchzuschieben. Situativ kann ein IV dann auch bis auf die Position des AV schieben, wenn dieser vorspringt. Dann muss die restliche Kette durchschieben, die ballferne Seite wird offen gelassen. Doch auch hierbei ist der Referenzpunkt Gegenspieler zu beachten. Es muss nicht jeder blind Richtung Ball laufen, Drucksituationen entstehen immer nur in Gegnernähe. Hier steht häufig die Balleroberung im Vordergrund, während in direkter Tornähe die Torsicherung forciert wird.
1.2.3) Geringe Distanz zum eigenen Tor
Ist die Distanz zum eigenen Tor gering, muss das Zentrum abgesichert werden. Dort sind die torgefährlichsten Räume. Diese Situationen sind besonders komplex und benötigen perfekt abgestimmte Abläufe. In Tornähe wird sonst jeder Fehler bestraft. Bricht der Gegner am Flügel durch, muss das Zentrum abgesichert werden, die IV schieben dabei dann normalerweise nicht mehr so weit durch (Ausnahmen später in “Flügel und Halbraum verteidigen”). Die Außenverteidiger müssen die Schnittstelle zum IV verteidigen, müssen aber auch bei einer möglichen Spielverlagerung direkt Druck auf den Flügelspieler ausüben können. Flanke sollen nicht zugelassen werden, der Balldruck muss immer hoch sein. Um den Halbraum und damit die angesprochene Schnittstelle zu verteidigen, bedarf es einer engen Abstimmung zwischen 6er, LM/RM, IV und AV.

Verteidigen in der Box
Innerhalb des Strafraums wird Mann gegen Mann verteidigt. Bei einem Durchbruch eines Gegenspielers am Flügel, muss sich im Strafraum am Mann orientiert werden. Dabei sollte die innere Linie zum Tor zugemacht werden und sowohl der Ball als auch der Gegenspieler im Blickfeld bleiben.
1.3) Hochschieben und fallen lassen
1.3.1) Allgemeines
Die vertikale Höhe der Abwehrkette muss ständig neu bestimmt werden und hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab: Eigene Struktur, gegnerische Struktur, Druck auf den Ballführenden, Spielstellung und Bewegung des Ballführenden, Höhe und Ballentfernung. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Höhe von der gesamten Abwehrkette angepasst wird. Die Höhe der Viererkette beeinflusst häufig auch die Aktivität in den vorderen Linien. Sie ist somit die Grundvoraussetzung für Aktivität und das erste “Gegenmittel” gegen Passivität. Ein frühzeitiges Absetzen ist beispielsweise zum gegenseitigen Absichern bei langen Bällen notwendig, ein kollektives Vorschieben bei einem Pressing, um die Zwischenlinienräume nicht als Pressingausweg anzubieten.
1.3.2) Höhe halten
Um die Höhe zu halten, sollte der Ballführende unter Druck sein, seine Spielstellung darf keine offensive Spielfortsetzung ermöglichen, die den Raum hinter der Abwehrkette bedroht. Steht man in einer guten Ordnung hinter dem Ball und / oder sehr tief, sollte die Höhe gehalten werden. Dies gilt auch, wenn der Ball sehr weit von der Abwehrkette entfernt ist.
1.3.3) Vorschieben
Grundsätzlich sollten Rückpässe immer bedroht werden. Das bedeutet, dass sehr viele Rückpässe dafür genutzt werden können Höhe zu gewinnen oder sogar in ein Pressing überzugehen. Das gilt nicht für alle Rückpässe, denn bei kurzen Distanzen kann der Passempfänger den Ball mit dem ersten Kontakt hinter die Abwehrkette passen. Die Abwehrkette kann vorschieben, wenn der Ballführende unter Druck ist, nicht offen steht oder noch gar nicht am Ball ist. Dies gilt umso mehr, wenn man bereits tief steht und sich fallen lassen musste. Mit dem Pass kann vorgeschoben werden, auch wenn das Anpassen der Höhe dann häufig nur eine Bewegung von 2-3 Metern ist. Wenn der Ball länger unterwegs ist, beispielsweise bei einer hohen Seitenverlagerung, kann das Vorschieben eine Drucksituation ermöglichen, siehe Stellen-Stechen-Sichern. Sobald ein Gegenspieler abdreht und entgegen der Spielrichtung steht / dribbelt, sollte die Abwehrkette hochschieben.
1.3.4) Fallen lassen
Wenn die Ordnung hinter dem Ball schlecht ist, muss die Abwehrkette fallen, bis sie den Gegner wieder “Stellen” kann. Dies kann beispielsweise nach Ballverlust im Spielaufbau passieren, wenn der Gegner einen Konter startet. Das Fallen folgt dann dem Prinzip “Zentrum und Tiefe zu” und ist dementsprechend trichterförmig. Ein weiterer Grund kann die geringe Distanz des Ballführenden zur Abwehrkette oder der fehlende Druck auf den Ballführenden sein. Die Abwehrkette sollte auf die Dynamik der Angreifer reagieren. Das heißt, dass es sinnvoll sein kann, zu fallen, um den Gegenspieler auszubremsen und nach vorne zu verteidigen. Ein langer Ball, der potenziell den Raum hinter der Abwehrkette bedroht, kann frühzeitig erkannt werden. Zeichen für einen langen Ball sind fehlender Druck auf den Ballführenden, ein Blick in die Tiefe mit anschließendem Blick auf den Ball, ein diagonales Vorlegen des Balls und die Freilaufbewegung der Stürmer. Bei einem langen Ball muss die Abwehrkette fallen, um dann nach vorne in den Ball gehen zu können. Der ballnächste Verteidiger rückt heraus und wird von mindestens zwei Spielern abgesichert. Im Zentrum durch IV und AV, am Flügel durch IV, Außenlinie und ballentfernten IV.
1.4) Verteidigen im Zentrum
Nach dem Prinzip “Stellen, Stechen, Sichern”, muss ein heraustretender IV durch zwei Spieler abgesichert werden. In diesen Momenten entsteht ein Abwehrdreieck, welches die Tiefe absichern muss. Die absichernden Spieler müssen Tiefenläufe des Gegners aufnehmen und mögliche Schnittstellenpässe abfangen. Der vorstechende Innenverteidiger muss ein Aufdrehen des Stürmers verhindern und kann je nach Situation auch den Pass abfangen. Dafür muss er mit dem Pass vor den Gegner kommen, beziehungsweise seitlich neben ihn, um mit dem ballnahen Fuß den Ball abzufangen. Eine vorausgehende überlappende Deckung erleichtert dies.
1.5) Verteidigen auf Außen
Auch der vorstechende Außenverteidiger muss abgesichert werden. Dies geschieht einerseits durch das Seitenaus, zumindest in den allermeisten Situationen, und durch den ballnahen IV. Die Viererkette schiebt in eine “Abwehrsichel”. In direkter Tornähe variiert das Absichern jedoch, siehe “Seitliches Verschieben”. Der Abstand des attackierenden AV zu seinem Gegenspieler ist abhängig von der Geschwindigkeit des Gegenspielers.
1.6) Übergeben
Um die Schnittstellen innerhalb der Viererkette nicht zu vergrößern, sollte die Raumaufteilung der vier Verteidiger beibehalten werden. Wenn gegnerische Stürmer kreuzen und ihre Ausgangsposition verlassen, sollte der zuständige Verteidiger bis zu einem bestimmten Punkt mitgehen, um den Balldruck hochzuhalten und dann den Gegenspieler übergeben. Grundsätzlich orientiert sich die Viererkette an den Gegenspielern, dem Ball, dem Raum und den eigenen Mitspielern. Schieben die Angreifer kollektiv in bestimmte horizontale Räume, so muss die Viererkette durchschieben, um sich weiterhin gegenseitig absichern zu können.
1.6.1) Gegenspieler zieht von außen nach innen
Zieht ein gegnerischer Spieler von außen nach innen, muss in Tornähe das Schussfenster dauerhaft geschlossen sein. Um den Flügel für mögliche nachstartende Gegenspieler nicht zu öffnen, muss der ballnahe IV den nach innen ziehenden Spieler übernehmen. Dafür muss die Viererkette durchschieben, um sich weiterhin gegenseitig sichern zu können.
1.7) Abstoß und langer Ball
Bei einem langen Abstoß muss nach einem kurzen fallen, der ballnächste Spieler aus der Viererkette in das direkte Duell gehen, um von mindestens zwei weiteren Spielern abgesichert zu werden. Die absichernden Spieler müssen die Situation frühzeitig erkennen und mit hohem Tempo in das Abwehrdreieck fallen. Aus dem offenen Spiel heraus kann das teilweise eine Herausforderung sein und bedarf dementsprechend einer hohen Konzentration. Ist ein AV gerade noch in einer vorgeschobenen Position, kann es sein, dass er bei Erkennen eines langen Balls in hohem Tempo fallen muss. Kommt es nicht zu einem langen Ball, muss die Position wieder angepasst werden. Ständiges Anpassen der eigenen Position und damit eine hohe Aktivität ist eine Grundvoraussetzung im Spiel gegen den Ball.
Einem langen Ball geht häufig der gleiche Bewegungsablauf voraus, weshalb er recht früh zu erkennen ist. Der Ballführende scannt die Tiefe, ehe er sich den Ball leicht diagonal vorlegt. Sobald er auf den Ball guckt, hat er sich in der Regel entschieden und der Ball fliegt.
2) Mittelfeldkette
2.1) Verschiebebewegung
Die Mittelfeldkette ähnelt der Abwehrkette hinsichtlich der Verschiebebewegungen. Auch dort wird situativ in ein Abwehrdreieck oder eine Art “Sichel” geschoben.
2.2) Nach außen lenken
Das Prinzip “Zentrum und Tiefe zu” beinhaltet auch das “nach außen lenken”, beziehungsweise das “aus dem Zentrum heraus agieren”. Die Mittelfeldkette spielt dabei eine große Rolle, so gilt es jegliche Schnittstellenpässe durch die Kette zu verhindern und den Gegner auf die ballnahe Außenseite zu lenken. Dazu muss die Viererkette kompakt verschieben und weist in der Regel nicht mehr als 10 Meter Abstand zueinander auf. Sie muss als Kollektiv verschieben und muss die komplette Breite verteidigen können.
2.2.1) Vororientierung
Um Schnittstellenpässe zu verhindern, müssen die Mittelfeldspieler immer wieder scannen, wo Gegenspieler im Rücken sind, um ihren Deckungsschatten dementsprechend auszurichten. Dabei müssen sie mit Schulterblicken immer wieder kontrollieren, wo mögliche Passempfänger lauern.
2.3) Stellen-Stechen-Sichern
Gerade in der Mittelfeldkette ist das Prinzip Stellen-Stechen-Sichern von hoher Bedeutung. Immer wieder wird dazu geneigt, zu früh aus der Ordnung rauszutreten, um nach vorne zu verteidigen. Das muss aber vorbereitet werden und kann nur funktionieren, wenn auch eine adäquate Absicherung gegeben ist. Ein Pressing ist immer nur so erfolgreich, wie es die Absicherung zulässt. Um den strategisch sehr wichtigen Raum zwischen Abwehr- und Mittelfeldkette nicht zu öffnen, muss das Prinzip Anwendung finden.
2.3.1) Stürmer überspielt
Eine häufig vorkommende Spielsituation ist, dass die beiden Stürmer überspielt werden und ein Gegenspieler mit offenem Sichtfeld auf die Mittelfeldkette zuläuft. In diesen Situationen gilt es unbedingt das Zentrum und die Tiefe zu sichern, da jederzeit ein Ball in die Tiefe gespielt werden kann. Damit die Mittelfeldkette schnellstmöglich Druck auf den Ballführenden (Balldruck) ausüben kann, muss sie gute Abstände zwischen den einzelnen Spielern aufweisen. Sollte das nicht der Fall sein, muss die Mittelfeldkette trichterförmig leicht fallen, um dann nach vorne stechen zu können. Sollte der Gegner in der ersten Aufbaulinie eine Überzahl haben, dann gilt dieser Punkt umso mehr.
2.4) Abwehrkette auffüllen
Wurde ein Spieler der Abwehrkette aus seiner Position rausgezogen, kann ein Spieler der Mittelfeldkette diesen Raum auffüllen. Dies kann sowohl im Zentrum, als auch am Flügel passieren. Idealerweise schiebt dann ein ballferner Mittelfeldspieler in die Abwehrkette, um in Ballnähe maximalen Druck ausüben zu können. Die restliche Abwehrkette kann dann durchschieben. Mehr dazu in “Flügel und Halbraum verteidigen”.
2.5) Intensität im Spiel gegen den Ball
Die Mittelfeldreihe muss im Spiel gegen den Ball in der Lage sein, viele intensive Läufe zu machen. Dies ist unabdingbar, in der Absicherung und dem eigentlichen Pressing. Dabei laufen beispielsweise die Außenspieler häufig in unterschiedlichen Linien und Breiten an, mal rücken sie vor auf die gegnerische Abwehrkette, mal unterstützen sie den eigenen AV im Doppeln.
3) Stürmer
Die Stürmer spielen im Spiel gegen den Ball eine immer zentralere Rolle. Für ein aktives Verteidigen, welches auch Phasen von hohem Anlaufen beinhaltet, sind die Stürmer unerlässlich für eine erfolgreiche Balleroberung. Durch die moderne Arbeit gegen den Ball ist ein eigener “Stürmertyp” entstanden, der sich auch über ein intensives Anlaufen definiert. Stürmer wie Poulsen, Raman, Gabriel Jesus oder auch Lewandowski ermöglichen immer wieder ein erfolgreiches Pressing durch hochintensives Anlaufen.
3.1) Diagonale Position
Das Zentrum und die Tiefe muss zu sein, so sichern sich die Stürmer im Anlaufen diagonal ab. Die Stürmer müssen den Sechserraum abdecken und sollen ein Durchbruch der IVs verhindern, um keine Unterzahl in der nächsten Linie zu provozieren. Das diagonale Absichern orientiert sich auch an den Gegenspielern. Bedroht niemand den Sechserraum müssen sich die Stürmer an anderen Gegenspielern orientieren. Eine breitere Position kann dann eine Verlagerung der IVs schneller unter Druck setzen und mögliche Anspiele im Halbraum verhindern. Das Abkippen ist dann nur noch leicht vorhanden, damit ein möglicher Durchbruch des IV abgesichert wird. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Stürmer auch wirklich erst ab einer bestimmten Höhe anlaufen. Wenn sie ungeduldig vorstechen und die Absicherung noch nicht ausreicht, werden sie überspielt und kommen dann nur noch schwer zurück in die Situation.
3.2) Spielverlagerungen verhindern
Werden die Stürmer überspielt, müssen sie nachschieben und haben eine zentrale Aufgabe in der Verhinderung von Spielverlagerungen. Durch die zentrale Startposition können sie wie ein “Keil” den Gegner auf eine Seite leiten, um ihn dann aus dem Zentrum heraus auf der Seite zu halten.
4) Schnittstellen verteidigen
Neben den Räumen zwischen den Linien, können auch die Räume innerhalb einer Kette eine Schwachstelle darstellen. Diese Schnittstellen müssen im Mannschaftsverbund verteidigt werden. Die Viererkette hat zwar weniger Schnittstellen als die Fünferkette, dafür sind die Schnittstellen aber größer. Das Verteidigen eben dieser ist somit auch komplexer, im Vergleich zur Fünferkette.
4.1) Schnittstelle AV / IV Ball auf dem Flügel – großer Abstand zum eigenen Tor
Der IV kann ballorientiert mit auf die Seite verschieben und die Schnittstelle klein halten. Der Anfangsabstand des AV hängt davon ab, ob die Schnittstelle überhaupt bedroht wird. Der ballnahe 6er verschiebt in den Halbraum, der ballferne 6er sichert vor der Kette ab. Der ballferne Flügel rückt rein und verhindert Halbraumverlagerungen, der ballferne Stürmer lauert im Sechserraum auf Rück- und Querpässe. Wenn möglich steht der ballnahe IV überlappend zum Stürmer und der ballnahe Außenspieler übt Balldruck aus indem er einen Deckungsschatten ins Zentrum und die Tiefe wirft. Der ballferne AV kann etwas breiter bleiben, wenn die Schnittstelle zum ballfernen IV nicht bedroht wird. Dadurch kriegt er schneller Balldruck, sollte es zu einer diagonalen Verlagerung kommen.
4.2) Schnittstelle AV / IV Ball im Zentrum – großer Abstand zum eigenen Tor
Ist der Ball im Zentrum, können beide Schnittstellen bedroht werden. Dabei sollte möglichst eine Verlagerung verhindert und der Gegner auf eine Seite gelenkt werden. Ist dies auch wirklich der Fall, beide Schnittstellen sind bedroht, dann kann es notwendig sein, dass die beiden äußeren Mittelfeldspieler erstmal die Tiefe sichern, um dann bei einem Querpass nach vorne verteidigen zu können. Tiefe und Zentrum vor Breite. Es kann auch in diesen Momenten, vor allem wenn wir keinen direkten Balldruck haben, notwendig sein, dass wir trichterförmig fallen und so die Schnittstellen verkleinern.
4.3) Schnittstelle AV / IV Ball auf dem Flügel – geringer Abstand zum eigenen Tor
4.3.1) Stürmer auf der Ballseite
Verschiebt der Stürmer auf die Ballseite, um die Schnittstelle und damit den Raum im Rücken der Abwehr zu bedrohen, muss der ballnahe IV mitschieben. Erst dann kann der AV auf dem Flügel attackieren.
Es kann also notwendig sein, dass der AV auf Zeit spielt. Bis der IV den Stürmer auf der Ballseite übernehmen kann, muss der AV das Zentrum und die Tiefe sichern.
4.3.1.1) Sechster füllt die Kette auf – Flanke = starke Mitte
Wenn der IV mit dem Stürmer rausschiebt, gibt er zwangsweise seine zentrale Position auf. Diese Position wird in diesen Momenten zwar nicht von dem auch rausschiebenden Stürmer bedroht, trotzdem ist sie enorm wichtig. Vor allem in unmittelbarer Nähe zum eigenen Tor, wenn wir mit einer Flanke rechnen müssen. In diesen Momenten schiebt der ballferne Sechser mit in die Kette und bildet mit dem IV und dem einrückenden AV eine starke Mitte.
4.3.2) Zehner startet Lauf durch die Schnittstelle – Blindside vom Sechser
Startet ein zentraler offensiver Mittelfeldspieler im Rücken des Sechsers einen Tiefenlauf durch die Schnittstelle IV/AV, so muss der IV diesen Lauf aufnehmen. Die Möglichkeit einen Lauf eines Gegenspielers aufzunehmen, hängt somit mit dem Blickfeld zusammen. Der überspielte oder ballferne Sechser sollte die Position des rausrückenden IV übernehmen, um das Zentrum und die Tiefe abzusichern.
4.3.3) Außenverteidiger startet Lauf durch die Schnittstelle – Blickfeld des Sechsers
Mit einem schnellen Give and Go ist ein Außenverteidiger häufig in der Lage den direkten Gegenspieler (häufig AM) zu überlaufen. Dies liegt an dem dynamischen Vorteil, welchen der AV hat. Während der Gegenspieler sich erst drehen muss, kann der AV nach erfolgtem Pass durchstarten und Tempo aufnehmen. Startet der AV nach Pass auf einen AM/AS einen Tiefenlauf durch die Schnittstelle AV/IV, ist er in den aller meisten Fällen im Blickfeld des Sechsers. Dieser kann den Lauf somit aufnehmen, der IV kann das Zentrum halten.
4.3.4) Zehner startet Lauf durch die Schnittstelle – Blickfeld des Sechsers
Sollte der offensive Mittelfeldspieler im Blickfeld des Sechsers den Tiefenlauf starten, so kann dieser adäquat darauf reagieren.
Startet ein Schnittstellenlauf eines Gegenspielers innerhalb des Blickfeld des Sechsers, so sollte dieser den Lauf aufnehmen. Die IVs können dann das Zentrum verteidigen. Startet der Lauf in der Blindside des Sechsers, so muss gezwungenermaßen ein IV raus. In diesem Fall fällt der ballferne Sechser mit ins Zentrum, um die torgefährlichsten Räume abzudecken. Der AV kann immer erst rausrücken, wenn die Schnittstelle zwischen ihm und dem IV auch abgesichert werden kann. Ist dies noch nicht der Fall, so verzögert er nach dem Prinzip “Zentrum zu”.
5) Pressing
Das Pressing orientiert sich am Ball. Um den Ball herum sollen möglichst viele Spieler den Druck auf den Ballführenden erhöhen, die ballferne Seite kann dabei bewusst frei bleiben. Jeder Spieler in Ballnähe hat das Ziel den Ball zu erobern, es geht nicht nur ums Decken von Gegenspielern oder Passwegen, sondern vor allem um den Ballgewinn. Somit steht auch das offensive Ziel, also Tore erzielen, im Vordergrund. Wir wollen nichts verhindern oder zerstören, sondern kreieren und ermöglichen. Selbst ein Ballgewinn in der eigenen Hälfte ist kein Selbstzweck, sondern immer mit dem Ziel verbunden ein Tor zu erzielen. In bestimmten Situationen muss beispielsweise kein Aufdrehen verhindert, sondern ein Ballverlust provoziert werden. Ein Grundgerüst für das Pressing ist Kommunikation und der letzte Schritt, das Durchlaufen. Bei vielen Mannschaften erkennt man das so oft geschulte Anlaufen, Stellen, Lenken, Tempo aufnehmen, Balleroberung – der typische 1v1-Ablauf – auch im mannschaftstaktischen Pressing. Stellen ist jedoch Gift für das Pressing. Den Gegner nur zu stellen ist Alibi, so als ob man in den ersten 90 Metern des 100 Meter Sprints allen davonläuft, nur um dann auf alle zu warten. Im Pressing muss der anlaufende Spieler durchlaufen, er soll nicht darauf achten irgendwelche Passwege zu schließen, er soll einfach nur den Ball gewinnen. Zur Not durch den Gegenspieler durch, aber ihn zu einer Reaktion zwingen. Selbst wenn der durchlaufende Spieler den Ball nicht erobert, bringt er den Gegner zum Reagieren und die eigene Mannschaft zum Agieren. Der Gegenspieler ist gezwungen auszuweichen oder eine ganz schnelle Entscheidung zu treffen. Nach dem ersten Spieler kommt der nächste und so weiter.
Ich trenne Pressing vom Verteidigen. Dabei sind beide Formen innerhalb eines Spiels unabdingbar. Das Pressing verfolgt jedoch das offensive Ziel Angreifen, während Verteidigen das defensive Ziel im Vordergrund hat.